Im Überblick: „Wegen Schulden ins Gefängnis“
Immer noch hält sich hartnäckig der Irrtum: „Wer Schulden nicht bezahlt, landet im Knast“. Richtig ist, dass niemandem die Freiheit entzogen werden darf, nur weil er vertragliche Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann.
Das Gericht kann einen Haftbefehl erlassen, nicht wegen Schulden, sondern wenn der Schuldner sich weigert, eine Vermögensauskunft abzugeben.
Wegen Schulden kommen Straftäter ins Gefängnis, die andere Menschen betrügen und ihnen einen Vermögensschaden zufügen.
Nur wegen Schulden beim Finanzamt ergeht kein Haftbefehl. Ein solcher käme aber bei Steuerhinterziehung in Betracht, wenn z. B. Untersuchungshaft gerechtfertigt wäre.
Schulden im Knast absitzen – eine eher mittelalterliche Methode?
In diesem Ratgeber:
In Nürnberg steht noch ein Relikt aus sehr alten Zeiten – es ist fast 700 Jahre alt. Der Südturm am Nordufer der Pegnitz wurde 1323 erbaut. Er ist einer von zwei Schuldtürmen, in denen Schuldner damals streng nach Geschlecht getrennt ihr Dasein fristeten, unter anderem weil sie ihre Schulden nicht bezahlten.
Glücklicherweise leben wir heute in anderen Zeiten. Und es gelten andere Regeln. Heute kommt kein Mensch allein wegen seiner Schulden ins Gefängnis. Was im Mittelalter noch Normalität war, ist heute undenkbar.
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verbietet ausdrücklich die Haftstrafe allein wegen Schulden. Das gilt auch in Deutschland. Kann jemand seine vertraglichen Verbindlichkeiten nicht erfüllen, so macht er sich nicht automatisch strafbar, nur weil er zahlungsunfähig ist.
Dennoch haben Schulden auch Folgen: Der Schuldner muss aber damit rechnen, dass sein Gläubiger auf zivilrechtlichem Wege versuchen wird, seine Forderung einzutreiben – manchmal mit Unterstützung eines Inkassounternehmens.
Kann man wegen Schulden doch ins Gefängnis kommen?
Ausnahmsweise kann ein Schuldner wegen seiner Schulden doch ins Gefängnis kommen, wenn weitere Umstände zu seiner Zahlungsunfähigkeit hinzutreten:
- Haftanordnung bei Schulden im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens
- Zwangshaft wegen nicht bezahlter Bußgelder
- Schulden beruhen auf strafbaren Handlungen des Schuldners
Was ist ein Haftbefehl bei Schulden?
Den „Haftbefehl bei Schulden“ gibt es in dieser Form nicht. Es ist zwar richtig, dass ein Haftbefehl im Zwangsvollstreckungsverfahren ergehen kann. Jedoch geht es nicht darum, jemanden wegen seiner Schulden ins Gefängnis zu bringen, sondern darum, ihn zur Abgabe einer Vermögensauskunft zu veranlassen.
§ 802g Zivilprozessordnung (ZPO) spricht hierbei von Erzwingungshaft:
„(1) Auf Antrag des Gläubigers erlässt das Gericht gegen den Schuldner, der dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibt oder die Abgabe der Vermögensauskunft gemäß § 802c ohne Grund verweigert, zur Erzwingung der Abgabe einen Haftbefehl. […]“
Die Haft erfolgt nicht wegen der Schulden, sondern weil der Schuldner der Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt. Haft und Haftbefehl haben dabei nichts mit dem Strafrecht zu tun, sondern sind zivilrechtlicher Natur. Die Aussicht, dass der Betroffene wegen Schulden ins Gefängnis kommt, soll ihn lediglich dazu bewegen, die besagte eidesstattliche Versicherung abzugeben. Mit einem Haftbefehl wegen Schulden hat die Staatsanwaltschaft oder Polizei also nichts zu tun.
Manche Inkassobüros drohen auch mit einem Haftbefehl wegen Schulden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hält eine solche Drohung im gewissen Rahmen für zulässig:
Inkassounternehmen dürfen den Schuldner auf mögliche rechtliche Schritte hinweisen, die auf ihn zukommen, wenn er seine Schulden weiterhin nicht bezahlt. Und dazu gehört auch der Haftbefehl zur Erzwingung der Vermögensauskunft. Diese Drohung ist nach Auffassung des BGH ein zulässiges Druckmittel (BGH, Urteil vom 22.03.2018, I ZR 25/17).
Unseriös und unzulässig hingegen sind Drohungen mit Staatsanwaltschaft und Polizei und deren Haftbefehl wegen Schulden.
Bußgeld nicht bezahlt? Knast wegen Schulden beim Staat
Wer eine Ordnungswidrigkeit begeht, muss meistens eine Geldbuße bezahlen. Wer sich weigert, landet unter Umständen in Erzwingungs- bzw. Beugehaft wegen dieser Schulden. Er kommt also wegen dieser Schulden ins Gefängnis. Auch hier geht es nicht darum, den Schuldner zu bestrafen, sondern darum, ihn zum Bezahlen zu zwingen.
Das ist nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
- vorheriger Hinweis an den Betroffenen, dass eine Erzwingungshaft möglich ist oder vorherige Androhung bei der Vollstreckung der Geldbuße
- Anordnung durch das zuständige Amtsgericht
- Keine Bezahlung des Bußgelds und keine Begründung hierfür seitens des Betroffenen (z. B. Darlegung seiner Zahlungsunfähigkeit)
- Schuldner darf nur wegen dieser Schulden ins Gefängnis gebracht werden, wenn dies verhältnismäßig ist
- angemessene Dauer unter Berücksichtigung der zu zahlenden Geldbuße (maximal sechs Wochen bis drei Monate)
Der Schuldner kann sich hiergegen mit einer sofortigen Beschwerde nach § 311 Strafprozessordnung (StPO) wehren.
Hiervon zu unterscheiden ist die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 Strafgesetzbuch (StGB) für eine nicht bezahlte Geldstrafe. Der verurteilte Straftäter muss wegen dieser Schulden ins Gefängnis. Jeder zu zahlende Tagessatz entspricht einem Tag Haft.
Gefängnis wegen Schulden – Freiheitsstrafe aufgrund einer Vermögensstraftat
Es gibt Menschen, die versuchen, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Sie bestellen beispielsweise Ware im Internet, mit dem festen Vorsatz, diese gar nicht bezahlen zu wollen. Der Händler liefert, ohne jemals eine Gegenleistung zu bekommen.
Juristen bezeichnen das als Eingehungsbetrug: Jemand geht eine Verbindlichkeit ein (Kaufpreiszahlung), die er gar nicht erfüllen will, und fügt seinem Vertragspartner dadurch Schaden zu.
Wer seine Schulden absichtlich nicht bezahlt, kann im Knast landen, wenn der Strafrichter eine Freiheitsstrafe für angemessen hält, insbesondere aufgrund:
- der Art und Schwere der Tat
- des eingetretenen Vermögensschadens
- möglicher Vorstrafen des Täters
Eine andere wichtige Vermögensstraftat ist die Steuerhinterziehung nach § 370 Abgabenordnung. Steuerhinterzieher können wegen dieser „Schulden“ beim Finanzamt ins Gefängnis kommen, und zwar für bis zu fünf Jahre.